Verlagerungsprojekt „Dachs IV“ in Osterode im Harz

Untertageverlagungen in der Endphase des NS-Regimes

Gipsbrüche in Osterode als Stollensystem für Mineralölwerk und für andere Rüstungsbetriebe vorgesehen

Spätestens ab Spätsommer 1943 diente der Harz als Rückzugsgebiet der deutschen Rüstungsindustrie. Den Startschuss gab die Verlagerung der V2-Raketenproduktion im Kohnstein bei Nordhausen. Nach diesem Vorbild beabsichtigen die NS-Planer der Luftwaffe und des Heeres, weitere Rüstungsbetriebe unter die Erde zu verbringen. Die Geologie des Harzes bot dafür teils gute Voraussetzungen.

Planungen für Untertageprojekt im Gips bei Osterode

Ab März 1944 beabsichtigte das Reichsluftfahrtministerium (RLM) in den Anhydrit-Bergen bei Osterode eine Stollenanlage für den Junkers-Konzern in den Berg treiben zu lassen. Die Entwürfe sahen vor, eine Fläche von 60.000 qm für die Herstellung des Flugzeugmotors Jumo 213 zu schaffen. Für eine mögliche Aufnahme standen die Gipsbrüche bei Oberhütte (Deckname „Basalt“) und Katzenstein (Deckname „Diabas“) zur Diskussion. Doch die Planer verwarfen diesen Plan wegen geologischer Ungeeignetheit des Geländes recht schnell.

Ungeachtet dieser negativen Beurteilung bekundete der Braunschweiger Optikproduzent und Rüstungsbetrieb Voigtländer & Sohn im Juli 1944 sein Interesse an der Zuweisung von unterirdischen Produktionsräumen im Gebiet um Osterode. Er beabsichtigte, entweder im Gipsbruch der Firma Schimpf selbst oder in einem bewaldeten Hang hinter dem Schützenhaus eine aus vier Kammern bestehende Stollenanlage zur Produktion von Zielfernrohren für eine neue automatische Waffe zu errichten. Zum Ausbau sollten vorwiegend Sträflinge der Strafanstalt Wolfenbüttel herangezogen werden. Dies scheiterte jedoch daran, dass Voigtländer nicht die erforderliche Dringlichkeitsstufe zugewiesen bekam.

Verlagerungsprojekt Dachs IV im Gipsbruch der Firma Schimpf

Im Herbst 1944 begannen die Ausbrucharbeiten im Gipsbruch der Firma Schimpf in Osterode-Petershütte, um Platz für die Aufnahme von „Dachs IV“, einer unterirdischen Erdölraffinerie des Hamburger Mineralölkonzerns Rhenania-Ossag AG, zu schaffen. Folgender Auszug aus einem Schreiben der Deutschen Bergwerks- und Hüttengesellschaft (DBHG) an die Harzer Gipswerke Robert Schimpf vom 11. Oktober 1944 zeigt, dass die örtliche Parteiprominenz  entgegen anderslautender Ausführungen in der Nachkriegszeit in die Entscheidung einbezogen war. „Auf der Besprechung vergangenen Samstag in Osterode, an der die Herren Lauterbacher, Landrat v. Schönfeld sowie Herren der hiesigen Stadtverwaltung teilnahmen, ist endgültig entschieden worden, dass das neue Bauvorhaben in ihrem Steinbruch durchgeführt wird“.

Nach dem Monatsbericht der Bauleitung vom Dezember 1944 waren 430 ausländische Arbeitskräfte und 72 KZ-Häftlinge auf der Baustelle eingesetzt. Das zugehörige Außenlager, welches dem KZ „Mittelbau-Dora“ unterstand, dürfte allerdings erst Ende November 1944 eingerichtet worden sein. Ende Februar 1945 war die Zahl der Arbeitskräfte auf 665 Bauhäftlinge gestiegen. Das Projekt wurde nicht zum Abschluss gebracht. Bis Kriegsende war erst ein geringer Teil der geplanten Stollen aufgefahren. An eine Produktionsaufnahme war nicht zu denken.

Einige Mundlöcher der geplanten Stollenanlage sind bis heute erhalten geblieben und zeugen von vergangenen Zeiten. Das Gelände darf nur mit Zustimmung des Eigentümers, die in jedem Fall vorab einzuholen ist, betreten werden.

Text: Frank Baranowski
Bildquelle: Jürgen Müller, Osterode und CIOS-Bericht XXXIII-38

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