Projekt „Rollendes Graffiti“: Jugendliche sprühen vor Ideen

Teilnehmende der Graffiti-Workshops bei der Arbeit an der Leinwand
Teilnehmende der Graffiti-Workshops bei der Arbeit an der Leinwand

(derharz) Wer beim Begriff Graffiti nur an Vandalismus denkt, irrt. Ein Gemälde des zunächst mit Graffiti bekannt gewordenen Künstlers Jean-Michel Basquiat sprengte vor fünf Jahren im Auktionshaus Sotheby’s den hundert Millionen Dollar Rahmen. International bekannte Künstler wie Keith Haring oder Banksy, deren Arbeiten ohne die Graffiti-Kultur undenkbar wären, zeugen von der gestalterischen Kraft, gesellschaftliche Verhältnisse zu kommentieren und in direkter Weise mit den Betrachtenden in den Dialog zu gehen.

Auch für Jugendliche sind Graffiti ein heißes Thema. 15 junge Menschen aus der Region haben sich seit März diesen Jahres mehrfach getroffen, um Arbeitstechniken der Graffitikunst zu erlernen und eine eigene Graffiti-Ausstellung auf die Beine zu stellen. Dabei standen inhaltlich Demokratie, Menschenrechte und andere wichtige Themen der Zielgruppe im Fokus, die künstlerisch aufgegriffen und behandelt wurden. Am 12. Juni wird in Holzerode das Kernstück des Projekts enthüllt: Das rollende Graffiti, ein vollständig in Farbe und Botschaft gehüllter Transporter. Ausserdem werden im Rahmen der Ausstellung weitere Kunstwerke der Jugendlichen und die Inhalte der Treffen vorgestellt.

Kunst ist schön, macht aber auch viel Arbeit, heißt es. Thomas Deisel, Künstler und Sozialarbeiter, hat bei den Treffen die Anleitung zum gekonnten Sprühen gegeben und sagt: „Das Arbeiten mit der Spraydose sieht easy aus, ist es aber nicht.“ Von den ersten Überlegungen zum Entwurf; den Arbeitsplatz mit Folien vorzubereiten, Wagenteile zu säubern und abzuschleifen, Stencils – also Schablonen – einzusetzen, in der Gruppe über weitere Gestaltungsschritte abzustimmen und schließlich das Aufräumen und Reinigen der Arbeitsgeräte – so kommt eine Menge an Aufgaben zusammen. „Graffiti holt die Jugend mit einem Medium ab, das cool ist. Dafür legen sie dann auch mal ihr Handy für ein paar Stunden weg und arbeiten gerne konzentriert an ihren Ideen“, lobt Deisel die Graffiti-Truppe.

Kunst machen heißt auch Entscheidungen treffen: Aus den 13- bis 16-jährigen Teilnehmenden sprudelten von Anfang an Gestaltungsideen für das rollende Graffiti. Das erfordert dann Verhandlung untereinander: Wie soll aus all den einzelnen Motiven eine gemeinsame Bildkomposition werden? Die Jugendlichen fanden Mehrheiten für ihre Idee, machten Kompromisse, verzichteten auch mal auf ihre Wünsche und kamen zu einem Konsens überein – so identifiziert sich bestenfalls die gesamte Gruppe mit dem gemeinsamen Werk. Und erprobt so nebenbei demokratische Prozesse. Endlich ist nach der coronabedingten Vereinzelung wieder eine Kollektiv-Erfahrung möglich.

Was für die Gestaltung des Transporters gilt, gilt auch für die Organisation der teils mehrtägigen Treffen: Es funktioniert nur als Team. Die Kinder- und Jugendbüros der Gemeinden Radolfshausen, Gleichen (KiJuB) und der Samtgemeinde Gieboldehausen stemmten alles gemeinsam: Wie bekommen wir die Teilnehmenden zum Veranstaltungsort, wo wird übernachtet, wie verpflegen wir uns? Und Jugendreferent Rainer Uthmann schaffte sogar ganze Heckklappen, Motorhauben und Autotüren vom Schrottplatz herbei, damit die Jugendlichen daran für die Gestaltung des Transporters üben und Gestaltungen ausprobieren konnten.

Auch über die inhaltlichen Botschaften der Graffiti tauschten die Jugendreferent*innen sich mit den Teilnehmenden aus. Jugendreferentin Johanna Gerhardy vom KiJuB freut sich über die gemeindeübergreifende Zusammenarbeit, die ganz neue Kontakte entstehen lässt. Deswegen sei es auch besonders sinnvoll, die Treffen mehrtägig zu veranstalten: „Erstmal lernen die Jugendlichen sich als Gruppe kennen. Dann trauen sich auch alle, offen über Themen zu sprechen, die ihnen wichtig sind.“

„Der Bedarf an gemeinschaftsfördernden Projekten für junge Menschen ist immer riesig“, meint Moritz Dicty, der auch im Vorstand des Jugendrings Harzland e.V. und dem Träger des Projekts, Bunt statt Braun Osterode am Harz e.V., engagiert ist. Deshalb stellte er dem Projekt „Rollendes Graffiti“ gern seinen weißen Transporter zur freien Gestaltung zur Verfügung. Im Anschluss an die Ausstellung wird das Fahrzeug in seinem Betrieb genutzt. Bei geschätzten 60.000 gefahrenen Kilometern im Jahr stehen die Chancen gut, dass das Werk auch nach der Ausstellung ein großes Publikum erreichen wird.

Aber erst einmal kommt die feierliche Enthüllung: Die nächste Generation der Graffiti-Künstler*innen und alle Beteiligten laden herzlich zur Ausstellung am 12. Juni am Grillplatz in Holzerode ein. Unter freiem Himmel sind ab 14:00 Uhr neben dem noch verhüllten rollenden Graffiti auch besprühte Leinwände und andere Kunstwerke zu sehen, die während der Workshops entstanden sind. Außerdem gibt es ein Rahmenprogramm mit Wikinger-Schach, Grillen und Gewinnen.

Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ durch die Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Göttingen. Kooperationspartner sind das Kinder- und Jugendbüro Gleichen (KJUB), das Kinder- und Jugendbüro Radolfshausen und dem Kinder- und Jugendbüro der Samtgemeinde Giebolderhausen.

Kurzfassung:
Wo: Grillplatz Holzerode (Am Sportplatz)
Wann: 12.06.2022 ab 14:00 Uhr
Was: Ausstellung von Graffiti (ab 14 Uhr) und Enthüllung des „Rollenden Graffiti“ (um 15:00 Uhr). Außerdem wird gegrillt, es gibt Wikinger-Schach und etwas zu gewinnen. Der Eintritt ist frei.

Quelle: Bunt statt Braun Osterode e.V., 29.05.2022
Bild: KiJuB Gleichen

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