Milchkiosk im Harz: Eine Rarität entdecken

Milchpilz in Bad Sachsa, einer von zwei erhaltenen Exemplaren im Harz (Sommer 2018)

Eine Zeitreise in die Vergangenheit der 1950er Jahre

Ausflugsziel im Harz: Der Milchkiosk von Bad Sachsa und Bad Harzburg

Den Jüngeren wird der Name Milch- oder Pilzkiosk unbekannt sein. Obwohl das typische Kioskgebäude in Form eines Fliegenpilzes in den 1950er Jahren das Bild vieler Städte prägte. Die kleinen Hütten wurden ursprünglich für den Absatz von Milch und Milchprodukten als „Milchpilz“ entwickelt. Zwei der wenigen noch vorhandenen Exemplare weltweit finden sich im Harz. Einer in Bad Sachsa in der Hindenburgstraße. Ein zweiter in Bad Harzburg neben dem Radauer-Wasserfall. Der letztere befindet sich allerdings in einem schlechteren Erhaltungszustand.

Ein kleiner „Milchpilz“ wird zum Erfolgsmodell

Gut erhaltener Milchkiosk in Bad Sachsa

Molkereien und ihre Erzeugnisse konkurrierten in den 1950er Jahren auch in Deutschland gegen die neuen Erfrischungsgetränke, die an jedem Kiosk angeboten wurden. Der Milch fehlte es an solchen Verkaufsstellen. Nah am Verbraucher und mit einem breiten Angebot von verschiedenen Milchprodukten sollte ein eigener Milchkiosk diese Lücke schließen.

Das erste Kioskhäuschen in Fliegenpilzform präsentierte die Hermann Waldner KG aus Wangen im Allgäu bei der Tagung der „Großstädtischen Milchversorgungsbetriebe“ im Mai 1952 in Bayreuth. Da ein solcher Milchkiosk einen sehr hohen Wiedererkennungswert haben sollte, wählte die Firma bewusst die markante Form eines Fliegenpilzes.

Milchkiosk in standarisierter Bauweise

Die eigentliche Konstruktion des Bauwerks war ein weiß bemalter Holz-Fertigbau. In der ursprünglichen Form wurde der Kiosk von einer flexiblen, wasserabweisenden Dachhaut aus Polyvinylchlorid (Handelsname Mipolam) überspannt. Sie hatte die charakteristische rote Farbe mit weißen Punkten. Im Lauf der farblichen und strukturellen Alterung ergab sich allerdings eine merkliche Schrumpfung dieses Weich-PVCs. Daher erhielten zahlreiche Exemplare recht schnell eine massive Dachhaut aus Metall. Diese wurden dann in vergleichbarem Stil bemalt.

Kioske in Fliegenpilzform leuchteten mit ihrer roten Kappe und den weißen Punkten als neue Verkaufsstellen den Besuchern entgegen. Die Milchkioske waren vorwiegend auf Sportplätzen, in Parks, in Schwimmbädern und in Stadtzentren anzutreffen. Milchpilze hatten ab Werk eine Gesamthöhe von etwa vier Metern und eine Dachbreite von 4,60 Meter. Der Durchmesser des Nutzraumes maß 3,15 Meter. Der „Pilz“ verfügte serienmäßig vier Schiebefenster, eine Glastür, drei eingebaute Tische und vier Regale.

Ehemaliger „Milchkiosk“ am Radauer-Wasserfall bei Bad Harzburg

Einbaukühlschrank, Heißwasserspeicher mit Waschbecken, Schlagsahnezapfer und Eismaschine konnten zugekauft werden. Die übergroßen Fliegenpilze wurden bald synonym für Milchverkauf und verbreiteten sich vom Allgäu aus in der ganzen Bundesrepublik und später auch über die Grenzen hinaus. So wurden die Pilze nicht nur in Deutschland vertrieben. Dieser wurde auch europaweit nach Österreich, in die Schweiz, nach Italien, Frankreich, Belgien und nach Griechenland exportiert. Die letzte Auslieferung eines Pilzkiosks erfolgte im November 1958 nach Mannheim.

Milchkiosk im Harz dauerhaft erhalten

Beide Milchpilze sollten als einzigartige zeitgeschichtliche Monumente für zukünftige Generationen erhalten bleiben. Beide sind Anziehungspunkt für Harz-Urlauber und könnten durchaus anderen touristischen Zweck zugeführt werden.

Quelle und Bild: Redaktion

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