Eine Rarität im Harz: Der Pilzkiosk in der Hindenburgstraße Bad Sachsa

Eines der wenigen noch vorhandenen Exemplare vom Pilzkiosk weltweit im Harz

Das für die 1950er Jahre typisches Kioskgebäude in Form eines Fliegenpilzes, das ursprünglich für den Absatz von Milch und Milchprodukten als „Milchpilz“ entwickelt wurde, ist eines der wenigen noch vorhandenen Exemplare weltweit. Molkereien und ihre Erzeugnisse konkurrierten in den 1950er Jahren auch in Deutschland gegen die neuen Erfrischungsgetränke, die an jedem Kiosk angeboten wurden.

Der Milch fehlte es an solchen Verkaufsstellen. Nah am Verbraucher und mit einem breiten Angebot von verschiedenen Milchprodukten sollte ein eigener Milchkiosk diese Lücke schließen. Das erste Kioskhäuschen in Fliegenpilzform präsentierte die Hermann Waldner KG aus Wangen im Allgäu bei der Tagung der „Großstädtischen Milchversorgungsbetriebe“ im Mai 1952 in Bayreuth. Da ein solcher Milchkiosk einen sehr hohen Wiedererkennungswert haben sollte, wählte Hermann Waldners Sohn Anton, zum damaligen Zeitpunkt Geschäftsführer, die markante Form eines Fliegenpilzes.

Michpilz in standarisierter Bauweise auch vielfach im Harz errichtet

Die eigentliche Konstruktion des Bauwerks war ein weiß bemalter Holz-Fertigbau. In der ursprünglichen Form wurde der Kiosk von einer flexiblen, wasserabweisenden Dachhaut aus Polyvinylchlorid (Handelsname Mipolam) überspannt. Sie hatte die charakteristische rote Farbe mit weißen Punkten. Im Lauf der farblichen und strukturellen Alterung ergab sich auch eine merkliche Schrumpfung dieses Weich-PVCs, so dass manches Exemplar bald mit einer massiven Dachhaut aus Metall überzogen und danach in vergleichbarem Stil bemalt wurde.

Kioske in Fliegenpilzform, kurz Milchpilze genannt, leuchteten mit ihrer roten Kappe und den weißen Punkten als neue Verkaufsstellen den Besuchern entgegen: auf Sportplätzen, in Parks, Schwimmbädern und Stadtzentren waren sie anzutreffen. Milchpilze hatten ab Werk eine Gesamthöhe von etwa vier Metern und eine Dachbreite von 4,60 Meter. Der Durchmesser des Nutzraumes maß 3,15 Meter. Er hatte vier Schiebefenster, eine Glastür, drei eingebaute Tische und vier Regale. Einbaukühlschrank, Heißwasserspeicher mit Waschbecken, Schlagsahnezapfer und Eismaschine konnten als standardisierte Zusatzgeräte hinzugekauft werden.

Die übergroßen Fliegenpilze wurden bald synonym für Milchverkauf und verbreiteten sich vom Allgäu aus in der ganzen Bundesrepublik und später auch über die Grenzen hinaus. So wurden die Pilze nicht nur in Deutschland vertrieben, sondern europaweit auch nach Österreich, in die Schweiz, nach Italien, Frankreich, Belgien und nach Griechenland exportiert. Die letzte Auslieferung eines Pilzkiosks erfolgte am 21. November 1958 nach Mannheim.

Im Harz sind zwei dieser seltenen Milchpilze erhalten geblieben

Insbesondere im Harz fanden eine vielzahl von diesen Milchpilzen Aufstellung, von denen heute noch zwei erhalten sind. Neben dem Exemplar in der Hindenburgstraße in Bad Sachsa ist noch ein weiteres Exemplarer in Bad Harzburg an den Radauer Wasserfällen erhalten geblieben. Der Milchpilz in Bad Sachsa dient heute dem nahegelegenen Hotel Lindenhof zu Reklamezwecken. Es bleibt zu hoffen, dass dieser auch für zukünftige Generationen als Denkmal für längst vergangene Zeiten erhalten bleibt.

Anschrift Milchpilz in Bad Sachsa

Hindenburgstraße 9
(♁51° 35′ 51,44″ N, 10° 33′ 0,63″ O)

Bild: Redaktion

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