Metallwerk Odertal GmbH, Zweigwerk des Polte-Konzerns Magdeburg
(derharz) 1923 beantragte die Stokelbusch Holzrohr AG eine Baugenehmigung zur Errichtung einer Fabrikanlage im Odertal an der Landstraße 520 in Richtung St. Andreasberg. Kurz nach der Fertigstellung traten Zahlungsschwierigkeiten auf, wegen derer die Firma 1925 gezwungen war, Konkurs anzumelden. Das Werksgelände ging daraufhin in das hälftige Eigentum der Reichsbankhaupstelle Hannover und die Magdeburger Firma Gerecke über, die die Fabrik an die Deutsche Holzröhren AG (Deuhrag) verpachteten, welche 1928 die Produktion aufnahm. Auch sie musste Anfang der 1930iger Jahre ihre Produktion wieder einstellen.
1934 erwarb der Magdeburger Rüstungsproduzent Polte das 80.000 qm große Fabrikgelände von der Reichsbank und errichtete dort unter dem Namen „Metallwerk Odertal“ eine Zweigniederlassung zur Fertigung von 7,92-mm-Gewehrmunition. Die von Polte in den Jahren 1934 bis 1943 in Bad Lauterberg getätigten Investitionen beliefen sich auf knapp über 2,6 Millionen Reichsmark. Das Metallwerk Odertal stellte unter dem Fertigungskennzeichen „207“ (Stand 1. Januar 1940) bzw. „bne“ (ausgegeben im Februar 1941) pro Jahr durchschnittlich zwischen 12 und 16 Millionen Patronen für die Wehrmacht her.
Zusammen mit den gleichermaßen im Odertal gelegenen Schickert-Werken gehörte das Metallwerk Odertal zu den bedeutendsten Arbeitgebern in Bad Lauterberg und führte zu einem nennenswertesn Wirtschaftsaufschwung, der allerdings weniug nachhaltig war. Am 15.02.1944 beschäftgte das Metallwerk Odertal 2.093 Personen; am 30.06.1944 waren es 2.026 und Ende 1944 etwa 2.350 Personen, die an den Werkbänken der Rüstungsschmiede standen. Bis zu 75 % der im Werk tätigen Arbeitskräfte waren Ausländer. Im Dezember 1944 beschäftigte das Metallwerk Odertal 865 „Ostarbeiterinnen“, 144 „Ostarbeiter“ und 524 sonstige Fremdarbeiter unterschiedlichster Nationalitäten, die im werkseigenen Barackenlager unmittelbar neben der Fabrik Unterkunft fanden.
Wegen Herannahen der Front ordnete die Werksleitung am 8. April 1945 die Produktionseinstellung an. Wenige Tage später, nämlich am 11. April, besetzte eine amerikanische Einheit den Rüstungsbetrieb. An den folgenden drei Tagen kam es zu konzentrierten Plünderungsaktionen durch die befreiten ehemaligen ausländischen Zwangsarbeiter, ohne daß man von Seiten der Amerikaner einschritt. Das Verwaltungsgebäude und eine Lagerhalle des Metallwerkes gingen in Brand auf. Im Odertal eskalierte die Situation, als mehrere Einheimische versuchten, die ausländischen Lagerinsassen aufzuhalten. Zahlreiche Bewohner von Bad Lauterberg, darunter Förster Bingel und seine Frau, Werkmeister Hersener von der Firma Haltenhoff sowie zwei Köchinnen aus dem Zwangsarbeiterlager, kamen durch die aufgebrachte Menschenmenge ums Leben.
Das Metallwerk Odertal nach 1945
Die Alliierten demontierten die vorhanden Produktionsmaschinen vollständig, die als Reparationsleistung unter anderem nach Jugoslawien, Spanien, England und Frankreich gingen. Der Gebäudebestand blieb, mit Ausnahme des Schießkanales, der Tages- und Hauptpulverlager von der Zerstörung verschont. Letztere wurden im November 1947 gesprengt, wodurch an den gegenüberliegenden Gebäude erhebliche Schäden entstanden. Infolge dessen stürzte Ende 1947/Anfang 1948 die Halle G, der ehemalige Ladereibereich, vollständig ein. Die weitergehenden Hallen blieben jedoch verschont, so daß sie der „Friedensfertigung“ zugeführt werden konnten.
Bereits ab Dezember 1945 nutzten Industriebetriebe die Möglichkeit, sich auf dem Gelände niederzulassen. Zu den wichtigsten Mietern zählte die Wülfeler Metallwarenfabrik GmbH, die einige Bereiche an die Harzer Akkumulatorenwerk GmbH (Produktion von Autobatterien), die Autohaus Jungbluth & Co. KG und die Firma Autodank (Autoreparaturen) unterverpachtete. Darüber hinaus hatten sich die Firmen Franz Jürgens (Holzeinschlag und Verwertung), Ludwig Halstenbach (Pinsel- und Bürstenfabrik), Becker & Grimm (Produktion von Beleuchtungskörpern) und die Schlosserei Hans Friedrich angesiedelt.
Die Stadt Bad Lauterberg nutzte Teile des Barackenlagers, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Ende 1947 stellte die Wülfeler Metallwarenfabrik ihre Produktion ein, worauf die Deta Akkumulatorenfabrik GmbH in das Pachtverhältnis eintrat. Am 10. Dezember 1949 waren die Demontage- und Entmilitarisierungsarbeiten offiziell abgeschlossen. Allerdings erst ein Jahr später, am 14. November 1950, wurde der ehemalige Rüstungsbetrieb aus der Kontrolle der Militärbehörden entlassen. 1956 ging das Gelände von der Metallwerk Odertal GmbH auf die Deta Akkumulatorenfabrik GmbH, die heutige Exide Technologies GmbH, über. Die Firma stellt dort bis heute Auto-Batterien her. Das Fabrikgelände ist direkt von der Hauptstraße erkennbar. Ein geringer Teil der historischen Gebäude des Metallwerkes Odertal sind noch vorhanden.
Quelle und Bildquelle: Frank Baranowski.