Bürgerinitiative „Wider das Vergessen Blankenburg“

Informationsstele am Tummelplatz soll an Gefangene des Kreisgefängnis Blankenburg erinnern

(derharz) In Erinnerung und in Fortsetzung der Arbeit des unlängst verstorbenen Nestors der Blankenburger Forschung zu NS-Zwangsarbeits- und KZ-Lagern Günther Pape hat sich eine Bürgerinitiative gegründet, die als Gruppe die Stadt Blankenburg bei der Gedenkkultur an die Verbrechen der NS-Diktatur tatkräftig unterstützen möchte. Denn in einer Zeit des erstarkenden Rechtsradikalismus sind alle Kommunen aufgefordert, ihre lokale Gedenkarbeit zu verstärken. Die Initiative ist überparteilich und keiner politischen Strömung angegliedert.

In den letzten Jahrzehnten ist in dieser Hinsicht wenig passiert, genauere Hinweisbroschüren zu den vielfachen Menschenrechtsverletzungen und einer Unkultur der Zwangsarbeit fehlen. Ein Heimatmuseum, in dem sich Interessierte kundig machen können, gibt es derzeit nicht. Erinnerungsstelen und Gedenktafeln sowie Hinweisschilder sind die Ausnahme. Das alles entspricht nicht einer profunden und für die nachkommende Generation wichtigen Beschäftigung mit der Geschichte, die zwischen 1933 und 1945 auch um Blankenburg keinen Bogen gemacht hat. Im Gegenteil.

In den beiden letzten Jahren befanden sich in Blankenburg zwei rieisge Untertage-Bauprojekte in Planung, und zwar die Projekte „Malachit“ (heute Bundeswehr-Sanitätsstandort) und „Porphyr“ (Klosterwerke im heutigen Walter Hartmann-Stollen). Vor Bombenangriffen geschützt, sollte dort die Herstellung von Waffen und Flugzeugteilen fortgeführt werden. Doch mussten diese gigantischen Stollenflächen, die bis Kriegsende nur noch teilweise realisiert wurden und bezugsfertig waren, erst in den Berg getrieben werden. Dies war ohne eine große Schar an ausländischen Zwangsarbeitern, Kriegs- und Strafgefangenen sowie KZ-Häftlingen nicht möglich. So entstand ein enges Netz an Lagern, ein eigener „Kosmos“ für sich.

Für die Öffentlichkeit sichtbar befanden sich in der Kleinstadt zum Kriegsende Anfang April 5.000 Personen, die in der Rüstungsproduktion arbeiten mussten. Darunter waren auch 1.000 Ingenieure, die an neuesten Weiterentwicklungen zu U-Booten im Auftrag der Marine hier konspirativ untergebracht und tätig waren. Über 100 der in Zwangsarbeit gepressten Menschen überlebten diese Torturen bei mangelhafter Ernährung und schlechter Behandlung nicht. An sie alle wird mit der zentralen Gedenkstätte am Lühnertorplatz erinnert, doch gilt es auch die über den Ort verteilten Einrichtungen kenntlich zu machen und dem Grauen ein Gesicht zu geben. Wer weiß heute noch, dass auch drei Todesmärsche mit KZ-Häftlingen durch Blankenburg gingen, bei denen es ebenfalls Todesfälle gab?

Dank vielfältiger Unterstützung ist es inzwischen immerhin gelungen, die 50 m „Klosterwerke“ zu erhalten, die von der Oberen Denkmalschutzbehörde als unbedingt erhaltenswertes Relikt der Untertageverlagerung eingestuft wurden. Sie wurden zumeist von KZ-Häftlingen unter brutalsten Bedingungen geschaffen. Zwei Aufsteller verweisen auf die Klosterwerke an der neu gewidmeten Straße zu Albert Van Hoeij, einer davon steht allerdings an unpassender Stelle. Wie konnte das passieren?

Wir hatten der Stadt über den Bürgermeister seit einer Pressekonferenz im März 2021 fachliche Unterstützung und Begleitung angeboten. Sie ist bis heute nicht abgefordert worden. Ein neuer Bürgermeister, den wir in wenigen Tagen wählen werden, muss sich auch an seiner Haltung wie auch an seinem Tun in dieser Hinsicht messen lassen. Wir fordern von der Verwaltung eine Einbeziehung sachkundiger Bürger in zukünftige Entscheidungen, die mit der Gedenkkultur zu tun haben und wir erwarten eine stärkere und deutliche Mitwirkung des Stadtrats, wenn es um solche Themen geht.

  • Als wichtigstes Ziel gilt es, die noch vorhandene Baracke in der Oesig aus dem Lager für „Jüdisch Versippte“ in einen würdigen Zustand zu versetzen, sie vor dem endgültigen Verfall und dem Abriss zu bewahren. Dabei ist die Zusammenarbeit mit Landesbehörden und deren Förderung zu suchen. Die Einrichtung eines Dokumentationsraums, der in Verbindung mit Jugendgruppen des Jugendwaldheimes zur Geschichtsvermittlung genutzt werden kann, ist zu forcieren.
  • An den wichtigsten Standorten der Zwangsarbeitslager und der Untertage-Rüstungsverlagerungsobjekte sind Hinweistafeln aufzustellen, die ähnlich der Gedenkstele auf dem Tummelplatz in einheitlichem und dauerhaft witterungsbeständigem Material zu erstellen sind. Diese Hinweise müssen direkt an den authentischen Orten stehen, nicht irgendwo, wo gerade Platz ist.
  • Es ist unser gemeinsamer Wille, langfristig wieder ein Museum für eine ehemalige Kreisstadt zu befördern, denn ein solches Objekt ist für das Geschichtsverständnis der Bevölkerung wie auch der Gäste ein Quell von Informationen. Darin ist auch der NS-Zeit der entsprechende Platz einzuräumen.
  • Das Objekt Klosterwerke befindet sich entgegen anderslautender Mitteilungen mit dem Stollenmundloch des Walter-Hartmann-Stollens auf einem städtischen Grundstück. Dieses ist an einen Naturschutzverein verpachtet worden, der aber kaum aktiv ist. Vor dem Objekt soll eine Erinnerungstafel dauerhaft an die Leiden der Zwangsarbeit und die Toten der Rüstungsverlagerung erinnern. Wir fordern die Stadt auf, hier endlich Mindeststandards der Erinnerungskultur zu realisieren. Dabei kann es nicht um Symbolpolitik gehen und die schon nicht einfache  Benennung einer vormals namenlosen Straße nach einem der KZ-Gefangenen Albert von Hoeij ist hier nur als Beginn der weiter nötigen Auseinandersetzung mit einem schwierigen Teil deutscher Geschichte zu sehen.

Wir erwarten vom Bürgermeister der Stadt Blankenburg, von der Verwaltung wie auch vom Stadtrat, dass in nächster Zeit weitere Schritte unternommen werden, eine über viele Jahre vernachlässigte Erinnerungs- und Gedenkkultur in Blankenburg sichtbar werden zu lassen. Dabei arbeiten wir bereits jetzt mit der Gedenkstättenstiftung Buchenwald, dem Verein Spurensuche Harzregion e.V. und anderen Vereinen, die sich um die Hinterbliebenen der NS-Unrechtssystems kümmern, zusammen.

Als Ansprechpartner steht Ihnen Wolfgang Schilling, Knorrenbergstr. 2 in 38889 Blankenburg zur Verfügung.

Quelle: Wolfgang Schilling
Bild: Redaktion

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